Busfahren mit Lese-Schwäche? Nicht leicht!

Unsere Redakteurin Heike Josten
hat eine Lese-Schwäche.
Das ist ein großes Problem beim Busfahren.
Wir suchen nach Lösungen.

Stellen Sie sich vor:
Sie können diesen Text nicht lesen.
Denn: Sie können nicht gut
oder gar nicht lesen.
Viel-leicht können Sie wirklich nicht lesen.
Dann hören Sie den Text viel-leicht.
Denn: Wir haben eine Vorlese-Funktion
auf unserer Internet-Seite.


Aber: Oft fehlt diese Funktion.
Schlecht:
Das schränkt viele Menschen ein.
Auch Heike Joosten.
Sie ist Teil von TACHELES.
Sie kann kaum lesen.
Deshalb: Sie hat im Alltag oft Probleme.
Vor allem Bus fahren ist schwer.
Besonders: wenn sie den Weg nicht kennt.
Aus-flüge und Erledigungen sind
nicht leicht für sie.

Nicht nur die Lese-Schwäche macht
das Bus-Fahren schwer.
Oft sind die Bus-Fahrer und Fahrerinnen
nicht nett oder hilfs-bereit.
Wenn Heike die Bus-Fahrer fragt:
Wohin fährt der Bus?
Dann kommt oft die Antwort:
„Das steht doch außen drauf“.
Durch solche Antworten
fühlt sich Heike schlecht.
Und: Diese Antworten führen zu Problemen.
Heike ist schon oft
in die falsche Richtung gefahren.
Sie ist oft zu spät zu Terminen gekommen.
Eine Lösung ist:
Anderen Menschen an der Bus-Haltestelle
um Hilfe bitten.
Damit sie dann den Bus-Fahr-Plan vorlesen.
Aber: Das kann unangenehm sein.
Also: Heike verzichtet lieber darauf.
Menschen mit Lese-Schwäche machen oft
schlechte Erfahrungen.
Das prägt sie.
Das haben uns auch andere
Nicht-Leser erzählt.

Wir wollten wissen:
Gibt es in Trier eine Lösung
für das Problem von Heike?
Also: Wir haben 
mit den Stadt-Werken Trier (SWT) gesprochen.
Sie sind für die Busse
und den Bus-Fahr-Plan in Trier
verantwort-lich.


Viele Ideen, viele Probleme

Bei den SWT gibt es eine Abteilung
für Fahr-Dienst und Vertrieb.
Knut Hofmeister leitet diese Abteilung.
Er erzählt uns:
Den SWT ist dieses Thema bekannt.
Sie arbeiten daran schon
fast 4 Jahre.
Sie wollen vor allem Blinden helfen
und für sie eine Lösung finden.
Das ist aber nicht einfach.
Das Problem ist:
Auf dem Bus stehen Informationen.
Zum Beispiel: die Bus-Linie und das Ziel.
Diese Infos sind ge-schriebener Text.
Sie müssen schnell gelesen werden.
Das ist für viele Menschen schwer
oder überhaupt nicht machbar.
Aber: Wie können die Infos anders
an-gezeigt werden?

Eine Lösung: eine Taste an der Bus-Haltestelle.
Wenn man auf die Taste drückte,
wird der Fahr-Plan laut vorgelesen.
Aber: Es gibt Probleme.
Knut Hofmeister sagt:
Nicht-Leser verraten sich dadurch.
Dann weiß jeder:
Dieser Mensch kann nicht lesen.
Außerdem: Andere Städte hatten schon
Probleme mit An-wohnern und An-wohnerinnen.
Sie haben sich über die Laut-Stärke beschwert.

TACHELES-Redakteurin Heike hatte eine Idee:
Man könnte mit Farben und Bildern arbeiten.
Man könnte jeder Bus-Linie
eine Farbe oder ein Bild geben.
Und: Die Farben oder Bilder
kommen auch auf die Fahr-Pläne.
Auch Kurt Hofmeister sagt:
Das hilft Nicht-Lesern.
In anderen Städten wird das schon gemacht.
Es hilft aber nicht allen.
Blinde Menschen hilft diese Lösung nicht.
Kurt Hofmeister sagt:
Er will eine Lösung für alle finden.
Das heißt:
eine Lösung für Nicht –Leser und für Blinde.


Der elektronische Weg

Eine andere Möglichkeit ist eine Handy-App.
Das könnte so funktionieren:
Ein Bus fährt an die Bus-Haltestelle
und verbindet sich mit dem Handy.
Dann kommt zum Beispiel die Information:
„Ich bin Linie 2
und fahre nach Heilig-Kreuz“.
Das wurde auch schon versucht.
Die SWT haben mit
dem Behinderten-Beirat der Stadt Trier
einen Versuch gemacht.
Ein Blinder hat die App ausprobiert
und das hat gut funktioniert.

Aber der Umgang mit Handys
ist für Menschen mit Beeinträchtigung
oft schwer.
Das weiß TACHELES aus Erfahrung.
Und das zeigt sich auch
in einem Selbst-Versuch.
Dazu gleich mehr.

Für die SWT gibt es dabei
Aber ein großes Problem:
Technik.
Die Busse haben jetzt schon
sehr viel Technik.
Für mobiles WLAN, Kommunikation
und so weiter.
Wenn dann noch Technik für die App hinzukommt,
wird das sehr viel.
Kurt Hofmeister sagt,
dass es eine Lösung für alles geben muss.
Noch gibt es sie nicht.
Aber das soll sich ändern.

Für Kurt Hofmeister ist die App
die beste Lösung.
Nutzer und Nutzerinnen der App
Bekommen die nötigen Informationen.
Und sie werden geschützt.
Nicht-Leser werden nicht bloß-gestellt.
Kurt Hofmeister betont:
„Barriere-Freiheit heißt nicht:
Der Rollstuhl-Fahrer bekommt die Rampe ausgeklappt.
Sondern:
Jeder soll sich selbstständig frei bewegen können.“


Selbst-Versuch: Bus suchen per App

Auch bei dieser Lösung
gibt es wieder Heraus-Forderungen.
Diese Apps müssen barriere-frei sein.
Und man muss ein Handy haben,
mit dem man die App nutzen kann.
Diese Handys heißen Smart-Phone.
Reporterin Heike hat ein passendes Handy.
Das haben aber nicht viele.
Die meisten unsere Reporter und Reporterinnen
haben kein Smart-Phone.
Es überfordert sie.
Auch für Heike ist der Umgang mit dem Handy
Oft schwer.

Die Fahr-Pläne in Trier
werden vom Verkehrs-Verbund Region Trier gemacht.
Man nennt diesen Verbund auch VRT.
Der VRT biete auf seiner Internet-Seite
eine Fahr-Plan-Auskunft an.
Wir probieren die Fahr-Plan-Auskunft aus.
Kurt Hof-Meister hat das vorgeschlagen.
Man trägt dort Start und Ziel ein.
Dann werden alle weiteren Informationen angezeigt.
Heike hat den Selbst-Versuch gemacht.
Beim Öffnen der Internet-Seite
hatte sie Hilfe.
Sie tippt Start und Ziel
einer bespielhaften Reise ein:
Von dem TACHELES-Büro
bis zu ihr nachhause.
Hier gibt es schon die ersten Probleme.
Wegen ihrer Lese-Schwäche
kann sie die Straßen-Namen
nicht richtig eingeben.
Sie sagt:
„Die Buchstaben fliegen
auf dem kleinen Bildschirm
alle vor meinen Augen durcheinander“.

Die Felder zum Eingeben
hat sie gezeigt bekommen.
Sie kann die Hinweise dazu nicht lesen.
Aber wenn man die Straßen-Namen
nicht richtig schreiben kann,
kann es nicht funktionieren.
Die Suche war schwierig
und führte Heike letztlich nach Würz-Burg.
Das ist eine Stadt in Bayern.
Sie ist etwa 280 Kilo-Meter von Trier entfernt.
Der Selbst-Versuch ist fehl-geschlagen.

Die VRT-Seite hat keine Vorlese-Funktion.
Auch Apps zum Vor-Lesen
haben nicht geholfen.
Weil sie in diesem Fall
zu kompliziert sind.
Der Text muss erst kopiert,
dann umgewandelt
und anschließend noch eingefügt werden.
Dann erst kann man den Text hören.
Das ist zu umständlich.
Nicht nur Heike ist dieser Meinung.


Geduld ist gefragt

In Zukunft sollen Handys
das Bus-Fahren erleichtern.
Eine Verbindung zwischen Handy und Bus
soll die Lösung sein.
So sollen Blinde und Nicht-Leser
Informationen über den Bus-Fahr-Plan erhalten.
Für Kurt Hofmeister ist das die beste Lösung.
Er sagt aber auch,
dass es noch viel Arbeit ist
und noch viele Jahre dauern wird.

Die Lokale Agenda 21 Trier hat übrigens auch über das Thema berichtet:
Hier kommt ihr zum Artikel.


Busfahren mit Lese-Schwäche? Nicht leicht!

Unsere Redakteurin Heike Josten hat eine Lese-Schwäche. Das ist ein großes Problem beim Busfahren. Wir suchen nach Lösungen.

Stellen Sie sich vor, Sie können diesen Text nicht lesen. Weil Sie nicht gut oder gar nicht lesen können. Vielleicht können Sie es auch wirklich nicht und hören den Text – dann sind Sie bestimmt froh über die Vorlese-Funktion auf unserer Internetseite.

Doch nicht überall gibt es solche Lösungen. Das schränkt sehr ein. Entsprechend uninformiert fühlt sich oft auch unsere Redakteurin Heike Joosten. Sie kann kaum lesen. Das stellt sie im Alltag vor große Herausforderungen. Auch bei leichten Aufgaben, wie zum Beispiel, von einem Ort zum anderen zu kommen. Wenn sie per Bus eine andere Route fahren möchte als die, die sie von ihrem täglichen Arbeitsweg kennt, hat sie es sehr schwer. Besuche bei Freund:innen, Ausflüge, Erledigungen – das kann sehr schwer werden.

Doch nicht nur ihre Leseschwäche ist das Problem. Hinzu kommt, dass sie dafür häufig hart angegangen wird. Sie erzählt: „Wenn ich den Busfahrer oder die Fahrerin frage, wohin dieser Bus fährt, sagen sie oft nur: ,Das steht doch außen drauf´.“ Das habe schon mal dazu geführt, dass sie, statt zu einem Termin zu kommen, in die verkehrte Richtung gefahren sei und eineinhalb Stunden brauchte, um sich wieder zurechtzufinden und zurückzukommen.

Sich von Fremden an der Haltestelle regelmäßig die Buspläne vorlesen zu lassen, ist ihr zudem nachvollziehbar unangenehm. Denn viel zu oft haben Menschen mit Leseschwäche schon schlechte Erfahrungen gemacht, die sie prägen. Obwohl ihre Mitmenschen eventuell aus vollem Herzen helfen würden, trauen sie sich oft nicht, diese zu fragen. Das erzählen uns auch andere Nichtleser.

In Sachen Busse und Fahrpläne gibt es in Trier, wo Heike lebt, noch kaum Lösungen. TACHELES hat daher mit den Stadtwerken Trier (SWT), die für den öffentlichen Personennahverkehr zuständig sind, Kontakt aufgenommen. Wir wollten wissen, welche Lösungsmöglichkeiten es für die Probleme unserer Redakteurin Heike gibt.

Viele Ideen, viele Probleme

Knut Hofmeister leitet bei den SWT die Abteilung Fahrdienst und Vertrieb. Er erzählt, dass schon vor rund drei bis vier Jahren mit Planungen für ein ähnliches Thema begonnen wurde. Damals dachten die SWT nur nicht an Nichtleser, sondern an Blinde. Die Frage war, wie statische, geschriebene Informationen auf einem Fahrplan oder einem Bus anders vermittelt werden können, zum Beispiel elektronisch.

Als eine Lösungsmöglichkeit beschreibt Hofmeister eine Taste an der Bushaltestelle, die nach Druck den Fahrplan laut vorliest. Das Problem: „Das ist auch eine gewisse Form von Outing, wenn ich da stehe und es mir dann laut vorgelesen wird.“ So stellt man sich selbst offensichtlich als Nichtleser dar und das möchte eben nicht jeder. Außerdem hätten andere Städte mit dieser Technik bereits weitere Probleme erfahren: Die Anwohner hätten sich über die Lautstärke beschwert, erzählt Hofmeister.

„für beide Gruppen zusammen eine Lösung“

TACHELES-Redakteurin Heike hatte die Idee, mit Farben oder Bildern zu arbeiten: „Wenn auf den Fahrplänen Bilder sind, wo die Busse hinfahren oder wenn jede Linie eine eigene Farbe hätte, würde mir das sehr helfen.“

Hofmeister bestätigt, dass andere Städte mit Farben oder Symbolen arbeiten. Das gehe ihm im Sinne der Inklusion von Blinden aber nicht weit genug: „Sonst ist eine Gruppe versorgt, die aber auch nicht derart zahlreich ist und die nächste Gruppe ist noch nicht versorgt. Am liebsten hätte ich für beide Gruppen zusammen eine Lösung.“

Der elektronische Weg

Eine andere Möglichkeit ist eine Handy-App. Ein einfahrender Bus verbindet sich per Bluetooth mit dem Handy und sagt zum Beispiel: „Ich bin die Linie 2 nach Heiligkreuz“. Hofmeister berichtet, dass das in einem Modellversuch mit dem Behindertenbeirat der Stadt Trier und einem Blinden bereits sehr gut funktioniert habe.

TACHELES weiß aus Erfahrung, dass der Umgang mit dem Handy vor allem für Menschen mit Beeinträchtigung nicht immer leicht ist. Das zeigt sich auch später in einem Selbstversuch noch.

Für die SWT besteht die Schwierigkeit auch im technischen Bereich. Schon jetzt fahre jeder Bus sechs SIM-Karten mit sich herum: für mobiles WLAN, Kommunikation und so weiter. Wenn die Verbindung mit privaten Handys noch dazukommt, in Zukunft womöglich auch das bargeldlose Bezahlen, „dann brauchen wir einfach eine All-in-One-Lösung“, sagt Hofmeister. „Wann kommt die? Das können wir noch nicht sagen. Aber es ist definitiv in Reichweite.“

„Jeder soll sich selbstständig frei bewegen können.“

Der App-Einsatz ist für Hofmeister bislang die beste Lösung, wie er sagt. Per GPS und Standortfunktion können sich Nutzer:innen die nächsten Abfahrten vorhersagen lassen. Einfahrende Busse informieren spezifisch über ihre Linie. Zudem würde solch eine App die Menschen schützen, betont Hofmeister. Denn es stellt niemanden in der Öffentlichkeit als Nichtleser bloß. Er betont: „Barrierefreiheit heißt nicht: Der Rollstuhlfahrer bekommt die Rampe ausgeklappt. Sondern: Jeder soll sich selbstständig frei bewegen können.“

Selbstversuch – Bus suchen per App

TACHELES sieht die Herausforderung in diesem Fall vor allem darin, dass diese Apps barrierefrei sein müssten und alle ein entsprechendes Handy brauchen. Redakteurin Heike hat zwar ein Smartphone, aber damit gehört sie zur Minderheit: Mehr als die Hälfte der Redakteur*innen hat keins, da es sie überfordert. Und auch Heike fällt der Umgang mit dem Gerät schwer.

Hofmeister hat angeregt, die Fahrplanauskunft des Verkehrsverbunds Region Trier (VRT) zu nutzen. Man müsse nur üben, wo man Start und Ziel eintrage und bekommt dann alles Weitere angezeigt.

Heike hat also den Selbstversuch gestartet. Die nötige Internetseite hat sie mit Hilfe von außen gefunden. Wie man GPS verwendet und damit die Seite jedes Mal neu nach dem Startpunkt ihrer Fahrt suchen lässt, weiß sie nicht. Das sei ihr technisch zu viel, sagt sie. Also versucht sie, Start und Ziel einer beispielhaften Reise einzutippen: Von der TACHELES-Redaktion bis zu ihr nachhause. Schon hier tun sich Probleme auf, denn durch ihre Leseschwäche hat sie auch Probleme, die Straßennamen korrekt einzugeben. „Die Buchstaben fliegen auf dem kleinen Bildschirm alle vor meinen Augen durcheinander“, sagt sie. Die Felder zum Eingeben hat sie gezeigt bekommen, denn lesen konnte sie die Hinweise dazu nicht. Kein Problem, das könne sie sich merken.

„Würzburg!?“

Doch ohne die korrekten Straßennamen funktioniert auch die Suche nicht richtig. Beim Startpunkt kam daher nichts heraus, Heikes Ziel lag letztlich in Würzburg statt in Trier, rund 280 Kilometer daneben. Eine Vorlesefunktion gab die Seite nicht her. Apps zum Vorlesen brachten nicht die nötigen Funktionen mit oder erforderten, den Text erst zu kopieren, umzuwandeln und einzufügen, um ihn dann hören zu können – viel zu kompliziert, sagt nicht nur Heike.

Geduld ist gefragt

Eine Lösung über Handy, GPS und eine Verbindung zu Bus oder Haltestelle hält Hofmeister dennoch für am ehesten zukunftsfähig. Er hofft, damit Lösungen für Blinde, Nichtleser und von ähnlichen Problemen betroffene Menschen gemeinsam finden zu können. „Es ist in Reichweite“, sagt er. „Das heißt allerdings, dass es noch sehr viel Arbeit bedarf. Wir werden es nicht in nächster Zeit einrichten können, sondern wohl erst in den nächsten – mehreren – Jahren.“

Die Lokale Agenda 21 Trier hat übrigens auch über das Thema berichtet:
Hier kommt ihr zum Artikel.